Aktien, Krieg, Krise: Russland hat die Ukraine angegriffen und sorgt damit in diesem Krieg für unglaublich viel Leid und Zerstörung. Täglich werden tausende Familien aus ihrer Heimat vertrieben und verlieren ihr gesamtes Hab und Gut an Bomben oder Panzer.
Ich widme mich in diesem Artikel daher dem Thema Krieg und Aktien bzw. Märkte, denn mir und auch vielen anderen Anlegern stellen sich nun zum ersten Mal ernsthaft einige Fragen:
- Wie wirkt sich der Russland-Ukraine-Krieg bzw. Kriege im allgemeinen auf die Aktienmärkte aus?
- Welche Verluste gab es in vergangenen Kriegen?
- Wie sollen wir nun handeln? Was kannst du tun mit deiner Geldanlage?
Bitte beachte: Ich möchte diese humanitäre Katastrophe in keinster Weise schmälern. Da es sich hier aber um eine wirkliche Bewährungsprobe in meiner (und vielleicht auch eurer) Aktienanlage und Altersvorsorge handelt, finde ich es wichtig, auch in diesen Zeiten über das Thema Geldanlage zu schreiben.
1) Kriege und deren Auswirkungen auf Aktienmärkte
Betrachtet man einen weltweit streuenden ETF wie den MSCI World, so hatten dort Kriege langfristig gesehen bisher nur geringe Auswirkungen auf die Aktienmärkte oder das Wirtschaftswachstum weltweit. So zeigt die folgende Grafik, wie sich der Aktienmarkt der Industrieländer (MSCI WORLD) seit 1969 während ausgewählter großer Krisen und Kriegen entwickelt hat:
Was erkennen wir aus diesem Verlauf des MSCI World?
Kriege und Krisen gab es in den letzten 50 Jahren leider genug. Die Weltwirtschaft (mit einem hohen US-Anteil) blieb hierbei dennoch langfristig ihrem Trend treu und führte zu wachsenden Kursen und Gewinnen. Eine sehr schwierige Phase waren die 2000er: In der „lost decade“ mussten Anleger über 10 Jahre warten, um wieder Ihre alten Kurshöchststände zu sehen. Währenddessen tobten Kriege in Afghanistan, Irak, Pakistan, um nur ein paar zu nennen. Viele weitere Krisen und Kriege in Asien, Südamerika und Afrika habe ich hier noch nicht einmal mit aufgenommen.
Dieser Rückblick zeigt uns trotzdem: Gerade wenn du als Anleger aber einen Anlage-Horizont von 15 Jahren oder länger hast, gab kein Krieg bisher in den letzten 50 Jahren einen Grund dazu, nicht weiter zu investieren.
2) Was du aus der Vergangenheit lernen kannst!
Das ist die Langfrist-Perspektive – aber wir sind im hier und jetzt unterwegs. Ich glaube es hilft für die aktuelle Situation, einen noch genaueren Blick auf frühere Kriege zu werfen. Sich also klar zu machen, zu welchen Verlusten Kriege am Aktienmarkt bisher geführt haben. Und mit dieser Information kannst du dann prüfen, wie stark dich Kriege in deinem Depot treffen können und ob du das im schlimmsten Fall mit deinem aktuellen Depot aushältst!
LPL Financial Research stellt zum Beispiel mit den unten gezeigten Daten fest, wie stark sich einzelne Kriegsevents auf die US-Märkte auswirkten. Die schlimmsten kriegerischen Akte bzw. Kriege für den S&P500 (US-Index) waren
- Pearl Harbor im 2. Weltkrieg (-19,8% Drawdown, 307 Tage „Erholungszeit“),
- Iraks Invasion in Kuwait (-16,9% Drawdown, 189 tage „Erholungszeit“),
- der Beginn des Korea-Kriegs (-12,9% Drawdown, 82 Tage „Erholungszeit“) und
- das stärkste kriegerische Event zu meinen Lebzeiten: die Terror-Attacken von 2001 (-11,6% Drawdown, 31 Tage „Erholungszeit“).
Selbst im 2. Weltkrieg, an dessen Folgen 3,5% der damaligen Weltbevölkerung starb – nämlich knapp 75 Millionen Menschen(!) – waren alle Kursverluste des Dow-Jones nach 5 Jahren wieder aufgeholt (siehe hier: https://trading-treff.de/thema/dow-jones). Eigentlich unvorstellbar – aber Kriege, Wirtschaft als auch die Börse sind komplexe, global verflochtene Systeme, deren Zusammenhänge und Kausalketten eben kaum zu durchschauen sind.
Was kannst du daraus lernen?
Wenn wir die Erkenntnisse aus den US-Daten ganz vereinfacht mal auf einen Welt-Index übertragen, wären mögliche Learnings für dich:
- Im Durchschnitt fielen in vergangenen Kriegen Kursverluste/Drawdowns von 5% an.
- Diese waren im Durchschnitt nach knapp 50 Tagen wieder aufgeholt
- Das Ausstiegs- und Wiedereinstiegsfenster ist für zögerliche Anleger gar nicht so lang (viele Rücksetzer sind unter einem Monat wieder aufgeholt)
- Ein Einbruch von knapp 20% aufgrund von kriegerischen Aktivitäten ist bereits vorgekommen, aber die Ausnahme.
- Die schlimmsten Börsentage waren zudem in der Vergangenheit nach maximal 10 Monaten überstanden.
3) Ist dieser Krieg doch anders?
Aber nun ist der Krieg in der Ukraine „vor der Haustür“ von Europa. Die Situation ist also eine andere – das ist Sie ja eigentlich immer. Und wir spüren oder ahnen, dass die Sanktionen gegen Russland & die Kämpfe in der Ukraine uns selbst wirtschaftlich mehr treffen werden.
Ein Krieg zwischen Russland, der Ukraine und den NATO-Verbündeten könnte jedoch schwerwiegendere Auswirkungen haben, insbesondere auf die Rohstoffpreise. Ein Konflikt mit Russland hat zu volatilen Ölmärkten geführt, da Russland ein wichtiger Erdöl- und Erdgasproduzent ist, dessen Pipelines viele Teile Europas versorgen. Wenn Russland den Hahn zudreht oder seine Ölinfrastruktur beschädigt wird, könnte dies zu noch höheren Energiepreisen führen. Gestiegene Energiekosten als auch Engpässe bei Weizen können bei vielen Produkten zu gesteigerten Preisen und Inflation führen.
Zusätzlich zum Krieg mischen sich weitere Themen: Globale (Rohstoff-)Lieferketten sind durch Corona sowieso schon stark beeinflusst, was vermutlich auch für viele Europäer zu einer noch weiteren Belastung im Geldbeutel führt (Energiepreissteigerungen, Inflation, Klimaflation, Greenflation). Und die Zentralbanken haben dank der Nullzinspolitik – anders als zum Beispiel in den 70er Jahren – kein oder wenig restliches Pulver zum Verschießen, um der Inflation entgegen zu wirken, ohne gleichzeitig die eh schon langsam wachsende Wirtschaft stark zu beeinflussen oder gar abzuwürgen. Ein kniffliges Szenario.
Schauen wir deswegen zuletzt noch auf den Kurs des Vanguard FTSE All-World (A2PKXG) – einer der aus meiner Sicht besten ETF-Repräsentanten der Weltwirtschaft, in welchem die Meinungen & das Wissen von Millionen von Menschen in den Aktienkursen von über 3800 Unternehmen eingearbeitet ist:
Wie du siehst sind nach aktuellem Stand die Verluste nach Kriegseintritt bereits wieder aufgeholt (bis jetzt, 21.03.22). Zusätzlich ist die Inflation ein Thema, das die (US-)Märkte schon länger beschäftigt. Die Äußerungen der FED über Zinsanhebungen sind zwar weitaus weniger emotional, Sie hatten aber ähnliche Kurs-Auswirkungen wie die Kriegsmeldungen aus der Ukraine. Die Situation ist zwar einzigartig, bis jetzt hatte aber auch dieser Krieg noch keine wirklichen Auswirkungen auf den breiten Weltindex.
Ob hier jetzt noch höhere Einbrüche auf uns zukommen? Ich kann es mir gut vorstellen, aber ich kenne die Zukunft nicht. Wie bereits gesagt: Kriege, Wirtschaft als auch die Börse sind komplexe, global verflochtene Systeme, deren Zusammenhänge und Kausalketten kaum zu durchschauen sind. Dennoch glaube ich, dass wir in 15-20 Jahren besser dastehen als jetzt! Und das ist für mich persönlich entscheidend.
4) Was solltest du in Kriegszeiten tun?
Aus meiner Sicht: Erst einmal Füße stillhalten. Kriege sind aufwühlend, lösen Emotionen aus. Und diese Emotionen können dich natürlich beeinflussen. Vielleicht siehst du wie andere auch schon den 3. Weltkrieg aufziehen. Und wenn dich diese ganzen Gedanken und Nachrichten schlecht schlafen lassen wäre wohl der einfachste Tipp (wenn du ein passives breit gestreutes ETF-Portfolio hast):
Mach einfach nichts, schaue nicht in dein Depot und les ein neues Buch!
Das habe ich gemacht, ich habe seit Ewigkeiten mal wieder einen neuen Fantasy-Epos angefangen. Und wenn du mir nicht glaubst, dann ja vielleicht Warren Buffett?:
Much stress can be attributed to inactivity. Most investors cannot resist the temptation to constantly buy and sell. – Warren Buffett
Und wenn das nicht hilft bzw. wenn du ein aktiveres Portfolio hast, mit welchem du aktuell schlecht schläfst, probier es mal hiermit:
Überprüfe deine Risiko-Tragfähigkeit und Asset Allocation!
Nimm dir 30 Minuten Zeit und lass deine Anlageziele mit folgenden Fragen Revue passieren, bevor du dein Depot anfasst! Schreib dir die dazugehörigen Antworten und Zahlen feinfach mal auf einen Zettel:
1) Wie lange willst du anlegen? Wann brauchst du dein investiertes Vermögen eigentlich?
- Noch über 10 Jahre? Dann brauchst du nach den oben gezeigten Charts eigentlich nichts tun.
- Weniger als 10 Jahre? Dann mach dir Gedanken über deine Asset Allocation (Senkung des Risiko-Anteils z.B. durch Verringerung des (Einzel-)Aktienanteils oder Umschichtung in andere Assets (Rohstoffe, Immobilien) bzw. Erhöhung des sicheren Anteils z.B. mit Gold, Cash oder Festgeld)
2) Kannst du die potenziellen Verluste von -10% bis -20% (im historisch schlimmsten Fall) in deinem aktuellen Portfolio mit deinem aktuellen Vermögen aushalten? Also auch mit einem Aktiendepot von 20 000€ (A) oder auch 200 000€ (B)? Auch wenn die kurzfristigen Verluste „erst“ nach über einem Jahr erst wieder aufgeholt sind? Und als aktiver Anleger: Bist du von deinen Einzelaktien überzeugt, dass Sie diese Krise durchstehen?
- Ja? Hältst du einen Einbruch von A: 4 000€ oder auch B: 40 000€ aus? Und deine Einzel-Unternehmen stehen das durch? Dann brauchst du eigentlich nichts tun.
- Nein? Dann mach dir Gedanken über deine Asset Allocation (Senkung des Risiko-Anteils z.B. durch Verringerung des (Einzel-)Aktienanteils oder Umschichtung in andere Assets (Rohstoffe, Immobilien) bzw. Erhöhung des sicheren Anteils z.B. mit Gold, Cash oder Festgeld)
3) Vor dem Hintergrund der aktuellen Inflations- und Stagflations-Diskussion: Wenn aus den Kriegsverlusten gepaart mit weiteren Krisen vielleicht -30% bis -40% werden: Kannst du diese Verluste verkraften in deinem risikobehafteten Anteil?
- Ja? Dann brauchst du eigentlich nichts tun.
- Nein? Dann mach dir Gedanken über deine Asset Allocation (Senkung des Risiko-Anteils z.B. durch Verringerung des (Einzel-)Aktienanteils oder Umschichtung in andere Assets (Rohstoffe, Immobilien) bzw. Erhöhung des sicheren Anteils z.B. mit Gold, Cash oder Festgeld)
5) Und was tue ich?
Ich habe wie gesagt die letzten Wochen etwas Abstand von der Börse und den Medien genommen und nichts getan.
- Mein Anlagehorizont beträgt noch mindestens 15 Jahre – sogesehen ist ein Crash gerade für junge Anleger wie mich eigentlich eine gute Sache. So makaber es klingt.
- Mein Sparplan investiert automatisiert für mich, ohne Emotionen.
- Außerdem weiß ich, dass ich einen Crash von -20% („Pearl-Harbour“) in meinem Depot (siehe oben) aushalten kann – die Erfahrung habe ich während Corona gemacht. Schwieriger ist da aus meiner Sicht, auch bei einem stetigen, langsamen Abstieg dabei zu bleiben. Aber auch hier hilft mein Sparplan, da ich nichts tun muss und einfach stetig günstig nachkaufe.
Kurz gesagt: Ich lasse einfach alles automatisiert weiter laufen und tue nichts.
So lege ich an:
Du hast Fragen? Stelle Sie gerne hier, ich antworte dir innerhalb weniger Stunden 🙂